Dienstag, 1. September 2020
Hat die Mission der Kirche und der Comboni-Missionare etwas mit Ökologie zu tun? „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16, 15). Dieser umfassende Missionsauftrag Jesu erweist sich in der zunehmenden Bedrohung unseres Planeten als höchst aktuelle Herausforderung an die Kirche und ihre Mission in der Welt von heute. Pater Franz Weber wünscht sich anlässlich des Jubiläums der Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus von 2015 einen neuen Dialog über die Gestaltung der Zukunft unseres Planeten – nicht nur der Kirche, sondern der gesamten Menschheit. (...)

Mission heute

Ökologische Umkehr?

P. Franz Weber, mccj

Hat die Mission der Kirche und der Comboni-Missionare etwas mit Ökologie zu tun? „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16, 15). Dieser umfassende Missionsauftrag Jesu erweist sich in der zunehmenden Bedrohung unseres Planeten als höchst aktuelle Herausforderung an die Kirche und ihre Mission in der Welt von heute. Pater Franz Weber wünscht sich anlässlich des Jubiläums der Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus von 2015 einen neuen Dialog über die Gestaltung der Zukunft unseres Planeten – nicht nur der Kirche, sondern der gesamten Menschheit.

Was aber bedeutet es, der „ganzen Schöpfung“ die Frohbotschaft zu verkünden? In seiner „grünen“ Enzyklika – so wird das vor fünf Jahren veröffentlichte Dokument „Laudato si“ auch gerne genannt – leistete Papst Franziskus einen qualifizierten Beitrag bei der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung. Zugleich werden mit seiner Forderung nach einer ökologischen Spiritualität neue Akzente für jede missionarische Praxis gesetzt.

Erde als gemeinsames Haus
„Gelobt seist du, mein Herr, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in die Arme schließt.“
Mit dieser persönlichen Liebeserklärung an die Schöpfung eröffnete Papst Franziskus seine Enzyklika, die wie kaum ein anderes päpstliches Dokument der jüngsten Zeit weit über die katholische Kirche und über die anderen christlichen Kirchen hinaus in der Wissenschaft und in vielen Teilen der Gesellschaft Beachtung und Anerkennung fand. Der Papst würdigt in diesem umfang- und inhaltsreichen Schreiben den langen und ereignisreichen Weg der weltweiten ökologischen Bewegung und spricht all jenen, „welche mit Nachdruck darum ringen, die dramatischen Folgen der Umweltzerstörung im Leben der Ärmsten der Welt zu lösen“, seine Anerkennung, seine Ermutigung und seinen Dank aus. Schon bevor die globale Jugendinitiative „Fridays for Future“ von sich reden machte, stellte sich Papst Franziskus bereits auf die Seite der jungen Generation, als er schrieb: „Die jungen Menschen verlangen von uns eine Veränderung. Sie fragen sich, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken.“

Gleichgültigkeit – auch in der Kirche
Wie war es möglich, dass sich das Interesse an ökologischen Fragen bei Kirchenleitungen und auch in den Orden bis in die Kernschichten der christlichen Gemeinden hinein lange Zeit sehr in Grenzen hielt, ja dass man Bewegungen, die sich in Umweltfragen engagierten, eher mit Skepsis oder Ablehnung begegnete? Papst Franziskus scheut sich nicht, in aller Deutlichkeit an weit verbreitete Fehlhaltungen zu erinnern, die jede Art von Mitverantwortung für die Zukunft unseres Planeten vermissen lassen. „Die Haltungen, welche – selbst unter Gläubigen – die Lösungswege für die ökologische Krise blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen.“

Kirchliche Stellungnahmen
Seit den 1980er-Jahren stand der ökumenische Lernweg des so genannten „Konziliaren Prozesses“ unter dem Leitwort „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Papst Franziskus erinnert in seiner Enzyklika auch an die Stellungnahmen seiner Vorgänger zu ökologischen Grundfragen. Papst Paul VI. hatte schon vor 50 Jahren (1971) auf die dramatischen Folgen der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur hingewiesen. Papst Johannes Paul II. rief um die Jahrtausendwende (2001) zu einer weltweiten „ökologischen Umkehr“ auf.
In seiner Rede vor dem deutschen Bundestag (2011) sprach Papst Benedikt XVI. von Verwundungen der natürlichen und sozialen Umwelt durch unverantwortliches Verhalten. Schon vorher hatte er in einer Ansprache in Brixen (2008) die „strukturellen Ursachen der Fehlfunktionen der Weltwirtschaft“ benannt, die ihre Ursache in einer Haltung haben, in denen Menschen sich für die letzte Instanz halten, der die Schöpfung gehört, die sie ohne Rücksicht auf andere für sich „verbrauchen“ können. Wie „brandaktuell“ ist doch diese klare Benennung einer egoistischen Ausbeutungsmentalität angesichts der gewissenlosen Brandrodung im Amazonasgebiet und der nicht nur in Brasilien, sondern in vielen anderen Ländern der Erde verfolgten Praxis des Landraubes, mit der sich von Regierungen legitimierte Großgrundbesitzer und Agroindustrien über die Rechte indigener Völker und kleiner Bauern gnadenlos hinwegsetzen!

Ökologische Neubesinnung
Es gehört zweifellos zu den ermutigenden Zeichen unserer Zeit, dass sich gegenwärtig immer mehr Menschen der Grenzen eines ungebremsten Wirtschaftswachstums und der fatalen Folgen der Umweltzerstörung und des Klimawandels bewusst werden. Viele sind deshalb auch in großer Sorge um ihre eigene Lebensqualität und um die Zukunftschancen ihrer eigenen Kinder und Enkel. Nicht wahrgenommen wird jedoch die Tatsache, dass die gewissenlose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten zunächst vor allem die Schwächsten und Ärmsten der Erde zu den ersten Opfern der Verbrechen gegen die Schöpfung macht.

Die Amazonassynode
Wie eng ökologische Fragen und soziale Probleme zusammenhängen, wie radikal das Leben und Überleben von Millionen von Menschen, die von ihrem Land vertrieben werden und von Fischern, deren Existenz durch die Vergiftung der Gewässer gefährdet ist, hat die Amazonassynode, die im Oktober 2019 in Rom stattfand, der Weltöffentlichkeit überzeugend vor Augen gestellt. In ihrem Schlussdokument, vor allem aber im Nachsynodalen Schreiben von Papst Franziskus „Geliebtes Amazonien“ wird dem „Schrei der Erde“ und dem „Schrei der Armen“ in gleicher Weise Gehör geschenkt.

Mission als Anklage
Uns Missionaren darf angesichts dieses „Notschreis“ auf keinen Fall das „Hören und Sehen vergehen“. Viele von uns erleben aus nächster Nähe die „Vergewaltigung“ von Schwester und Mutter Erde. Wir sind vielerorts Zeugen der lebensbedrohenden Situation von Völkern und Menschen, die durch die Folgen der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage in das Elend der Peripherien der Megastädte getrieben werden. Wir können und dürfen nicht schweigen, wenn die Würde und die Rechte von Menschen am Rand der Gesellschaft mit Füßen getreten werden.
In der Verwirklichung unserer Mission haben wir also, ob in Afrika, Asien oder Lateinamerika oder hier in Europa, mutig Stellung zu beziehen. Unsere Option für die „Ärmsten und Verlassensten” im Sinne unseres Gründers Daniel Comboni bedeutet auch einen entschiedenen Widerstand gegen die Zerstörung unserer Umwelt und Mitwelt, für die wir als Schöpfung Gottes Verantwortung tragen. Was wir diesbezüglich in unseren Predigten verkünden, was wir in unseren Medien mitteilen und mit anderen teilen, sollte jedoch auch durch unser Ordensleben in Solidarität mit den Armen dieser Welt, durch einen einfachen Lebensstil und durch einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Schöpfung, gedeckt sein.

Vorgaben des Generalkapitels und der Ordenssatzung
„Unser Einsatz für Versöhnung, Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ wird von unserem letzten Generalkapitel 2015 als „wesentliches Element der Verkündigung“ gesehen.
Im Vorschlag der Neuformulierung unserer Konstitutionen, der dem nächsten Generalkapitel zur Approbation vorgelegt werden wird, heißt es dazu: „Wo der Missionar das Reich Gottes verkündet und bezeugt, setzt er sich auch für die Befreiung des Menschen von allen geschichtlichen Formen der Unterdrückung ein. Er engagiert sich für die Bewahrung der Schöpfung, die Gott dem Menschen als gemeinsames Haus anvertraut hat. In der Förderung nachhaltiger Entwicklung und aufmerksam für die Bedürfnisse aller wählt er einen Lebensstil, der von der Verantwortung gegenüber allen anderen und gegenüber der Mutter Erde bestimmt ist.“
Papst Franziskus hat in „Laudato si“ nicht nur die Kirche, sondern die gesamte Menschheit zu einem neuen Dialog über die Gestaltung der Zukunft unseres Planeten eingeladen. Sich an diesem Gespräch aktiv zu beteiligen und der ganzen Schöpfung die befreiende Botschaft des Evangeliums in Wort und Tat zu verkünden ist wesentlicher Teil des Missionsauftrags der Kirche und der missionarischen Sendung der Comboni-Missionare.
P. Franz Weber