Mittwoch, 18. Juni 2025
Letzten Monat, Bischof Jesús Ruiz Molina besuchte die Comboni-Gemeinschaft in Ellwangen, Deutschland. In einem langen Gespräch berichtete er sehr interessante Informationen über die Situation in seiner Diözese M’baïki (Zentralafrika). Bischof Jesús erzählte über Glaubensverkündigung vor allem auch bei den Baaka-Pygmäen. Für letztere ist es gute Nachricht, wenn ihnen zunächst ihre Menschenwürde zugestanden wird.
Die Zentralafrikanische Republik (ZAR) mit der Hauptstadt Bangui hat etwa sechs Millionen Einwohner. Sie ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Eisen und Diamanten, und im Westen gibt es große Uranvorkommen. Holz ist neben Diamanten das wichtigste Exportgut des Landes. In der Vergangenheit wurde Raubbau am Regenwald betrieben, und leider machen Bauern heute durch Brandrodung immer größere Waldgebiete zu Farmland. Trotz dieses Reichtums verdient die Mehrzahl der Menschen sehr wenig.
Die Situation in der Diözese M’baïki
Die Diözese M’baïki, deren Bischof der Comboni-Missionar Pater Jesús Ruiz Molina ist, dürfte die jüngste Region in Afrika sein, was die Evangelisierung betrifft. Landesweit sind es 130 Jahre. 1925, also vor 100 Jahren, kamen die ersten Missionare in die Region von M’baïki, am Rand des Kongo-Beckens.
Im Februar dieses Jahres fand in Mongoumba die Eröffnungsfeier zum hundertjährigen Jubiläum der Erstevangelisierung der Lobaye – mit Bischofssitz in M’baïki – statt. Zur großen Feier „100 Jahre Erst-Evangelisierung“ kamen aus jeder Pfarrei Menschen zu Fuß nach Mongoumba. Das Jubiläum wurde in Mongoumba gefeiert, weil hier Missionare den Ubangi-Fluss zuerst überquert hatten. Der Slogan anlässlich dieser Feier lautete: „Gesegnete Lobaye, verkünde die Froh-botschaft.“ Dieses Motto kommt in mehreren Etappen das Jahr über zum Zug. Es sind Themen, worin dieser Segen besteht: in der Natur, in Kultur und Tanz, aber auch in der Frohbotschaft selber. Hierher gehört auch die Frage, was die Menschen aus diesem Segen machen.
Vom 5. bis zum 8. Dezember dieses Jahres 2025 wird nochmals gefeiert. Auch das ist Teil der Tätigkeit in der Diözese: Die Menschen treffen sich und feiern miteinander. So wird der Zusammenhalt gefördert. Allerdings nicht ganz so, wie man sich das Feiern vorstellt, vielmehr werden auch Probleme thematisiert.
Pastorale Arbeit und die Vertiefung des Glaubens sind Herausforderungen, die man angehen will. Aber es fehlt an Personal: „Die Ernte ist groß, aber es fehlt an Arbeitern! Herr, sende Arbeiter in deinen Weinberg!“ Letztes Jahr ist die Diözese dazu übergegangen, auch Katecheten als Missionare auszusenden. Diese Katecheten sind das Fundament der evangelisierenden Arbeit. In der Diözese kommen Priester etwa fünf Mal im Jahr in eine Pfarrei bzw. Gemeinde.
Es ist ein eklatanter Zustand. Umso mehr darf man sich in M’baïki freuen: Wenn alle von ihnen dabeibleiben, wird Bischof Jesús Ruiz Molina im Rahmen des Jubiläums vier Männer zu Priestern weihen. Bisher gibt es nur drei einheimische Priester in der Diözese. Tags darauf werden sich bei den Feierlichkeiten 100 Ehepaare als solche zeigen – je ein Paar für eines der 100 Jahre.
Um beim „Bodenpersonal“ des Herrgotts zu bleiben, gibt es bescheidene, aber ermutigende Entwicklungen, was auch bei den abschließenden Feiern im kommenden Dezember augenscheinlich werden dürfte, wenn man bedenkt, dass es vor 100 Jahren noch keinen Christen im Gebiet der heutigen Diözese M’baïki gab. Je nachdem, was hier geografisch mit einbezogen wird, gibt es heute allein in M’baïki in der Lobaye 100.000 Katholiken! Dabei kommen einerseits immer mehr Menschen zum Glauben.
Die Frage ist nur, ob dieser Glaube an Jesus Christus wirklich trägt, denn es wird klar erkannt, dass das Innere der Menschen verwandelt werden muss. Diese Situation gilt deshalb als große pastorale Aufgabe. Die Frage ist, wie die Evangelisierung zu einer wirklich christlichen Lebensführung befähigen kann. Wie kann das Evangelium wirkliches Leben bewirken? Vielen Tendenzen muss die Stirn geboten werden: zu erwähnen sind Aberglaube, Geisterglaube, Rache, Hexerei, aber auch mangelnde Schulbildung und kaum existentes Gesundheitssystem.
Freilich hat die Bevölkerung noch mit anderen Problemen in ihrem Leben zu kämpfen. Da ist die große Armut, mit der sich die Menschen abmühen müssen. Die Entwicklung des Landes weist die Republik an zweitletzter oder letzter Stelle auf der Liste der rund zweihundert Staaten dieser Welt auf. „Unser Volk ist voller Wunden!“, so Bischof Molina. Die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von gerade Mal 50 Jahren. So oder so ist es ein Hinweis darauf, dass Armut und Angst ihren Zoll verlangen. Zum Vergleich: Die Menschen in Deutschland – Männer und Frauen gemeinsam – werden durchschnittlich gut 80 Jahre alt.
Die Baaka-Pygmäen
Die Menschen aber, denen man das Leben besonders schwermacht, sind die Pygmäen im Südwesten des Landes. Als Pygmäen werden Volksgruppen bezeichnet, die als Jäger und Sammler im zentralafrikanischen Regenwald leben. Ein kleinerer Teil dieser Bevölkerungsgruppe lebt auch in der Diözese M’baïki. Die kleingewachsenen Menschen sind Nachkommen der Ur-Bevölkerung Afrikas. Alles in ihrer Umwelt ist den Baaka lebendig und hat seinen Geist. Sie pflegen eine komplette Verbindung mit der Natur. Der Urwald gibt ihnen alles, was sie zum Leben brauchen. Wenn ein Stück Land kaum noch einen nennenswerten Ertrag bringt, zieht die Gruppe weiter. Es ist ein Leben, das diese nomadischen Menschen frei seinlässt.
Doch dann kamen die Vertreter der industrialisierten Holzwirtschaft. Sie machten den Urwald nieder und töteten sinnlos die Tiere im Wald. Den wirklichen Besitzern des Ökosystems gab man oft eine lausige Abfindung mit Geld oder gleich durch Alkohol. Durch die Zerstörung des Urwalds ist auch die Jagd nicht mehr möglich. Die Flüsse sind durch die Benutzung von Quecksilber zur Goldgewinnung vergiftet. Für die Baaka ist es wie eine „Vertreibung aus dem Paradies“. Die Lebensgrundlagen der Menschen sind zerstört. Sie werden zu Unpersonen degradiert oder als minderwertige Menschen angesehen. Mehr noch: Sie haben kein Bürgerrecht. Es ist leicht, Pygmäen zu missbrauchen.
Hexerei
Die Aka haben Gebräuche, welche Leid und Angst verursachen. Wenn beispielsweise jemand erkrankt, Unglück hat oder gar stirbt, wird immer eine dafür angeblich schuldige Person ausgemacht und bestraft. „Jemand hat mir oder uns Böses getan.“ Eine Strafe für eine Hexe ist es, lebendig begraben zu werden. Andere werden einfach totgeschlagen. Es ist ein System, das Angst und Leiden ohne Ende schafft. So kommt es, dass Personen, welche Angst vor ihrer Kennzeichnung als Hexe haben, sich sogar in Gefängnisse flüchten. Dort fühlen sich geschützt. Besonders gefährdet, als Hexe gebrandmarkt zu werden, sind die Verletzlichsten: alte, alleinstehende, hilflose, und vielleicht sogar ein wenig demente Frauen, denen niemand hilft, oder Waisenkinder. Was aber tun, wenn das ganze Dorf so fühlt, dass das Böse zu ihnen gekommen ist? Es muss eliminiert werden, um die Dorfgemeinschaft davon zu befreien! Eine diözesane Erhebung verdeutlicht das Ganze: Im Jahr gibt es etwa 110 bis 120 Personen, die der Hexerei bezichtigt und getötet wurden. Andere hatten mehr Glück und konnten weglaufen.
Der Hexenglaube sitzt sehr tief in den Menschen. Wie kann man aber diesen Menschen mit der uralten „Kultur“ der Hexenverfolgung und Synkretismus beistehen? Wie den Menschen mit all ihrer großen Andersartigkeit helfen, ihre Angst loszuwerden? Wie kann man ihnen zu Seite stehen, wenn es um ein gutes Selbstbewusstsein der Baaka als Söhne und Töchter Gottes geht? Wie bringen sie es fertig, nicht mehr aus Angst wegzulaufen? Personen, die der Hexerei beschuldigt werden, leben mit dem Stigma ihr ganzes restliches Leben lang.
Es gibt auch ein Gesetz, welches Hexen mit Gefängnis bestraft. Eine Änderung des Gesetzes würde reduzierte Opferzahlen bringen und als „Verletzungen des Lebens“ geahndet werden. Dieses Thema wird im Land derzeit diskutiert. Für Betroffene wurden am Bischofssitz kleine Häuschen gebaut. Und der pastorale Ansatz könnte so aussehen: „Ihr seid Tempel des Hl. Geistes. Er liegt in Euch!“
Pater Anton Schneider, Comboni-Missionar