Wer sind die Heiligen, die wir heute feiern? Es sind nicht (nur) jene, die von der Kirche offiziell heiliggesprochen wurden und Wunder vollbringen, sondern die große Schar, die Johannes in der Offenbarung sah: „eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Offb 7). Viele von ihnen lebten an unserer Seite und kümmerten sich um uns; andere sind uns im Leben begegnet. Und viele, selbst unbekannte, waren wie Engel für uns.
„Jesus stieg auf den Berg, setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.“
Matthäus 5,1–12
Am 1. November feiert die Kirche das Hochfest Allerheiligen – ein Fest sehr alten Ursprungs. Bereits am Ende des 2. Jahrhunderts lässt sich eine echte Verehrung der Heiligen feststellen. Das Fest entstand im Osten im 4. Jahrhundert und verbreitete sich allmählich auch in andere Regionen, wenn auch mit unterschiedlichen Daten: In Rom wurde es am 13. Mai gefeiert, während es in England und Irland seit dem 8. Jahrhundert am 1. November begangen wurde. Dieses Datum setzte sich schließlich auch in Rom ab dem 9. Jahrhundert durch.
Wer sind die Heiligen, die wir heute feiern? Es sind nicht (nur) jene, die von der Kirche offiziell heiliggesprochen wurden und Wunder vollbringen, sondern die große Schar, die Johannes in der Offenbarung sah: „eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Offb 7). Viele von ihnen lebten an unserer Seite und kümmerten sich um uns; andere sind uns im Leben begegnet. Und viele, selbst unbekannte, waren wie Engel für uns.
Die Seligpreisungen: acht Worte, acht Wege, acht Tore
Die Liturgie legt uns das Evangelium der Seligpreisungen in der Fassung des Matthäus (Mt 5,1–12) vor. Sie bilden den Prolog zur ersten Rede Jesu bei Matthäus und sind die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums. Es ist ein sehr bekannter Text, aber gerade deshalb besteht die Gefahr, ihn oberflächlich zu lesen und seine Tiefe, seinen Reichtum und seine Komplexität zu übersehen. Gandhi sagte, dies seien „die erhabensten Worte des menschlichen Denkens“, die Quintessenz des Christentums.
Der Evangelist Matthäus liebt Berge. In seinem Evangelium kommt das Wort „Berg“ vierzehnmal vor. Sieben Berge kennzeichnen besonders das öffentliche Leben Jesu – von den Versuchungen (vgl. Mt 4,8) bis zum Missionsauftrag auf dem Berg der Sendung (vgl. Mt 28,16). Diese Berge haben symbolischen und theologischen Wert: Der Berg steht für die Nähe zu Gott. Lukas hingegen verlegt diese Rede Jesu in die Ebene. Das christliche Leben vollzieht sich in einer doppelten Bewegung: dem Aufstieg auf den Berg und dem Abstieg in die Ebene.
„Als Jesus die Menge sah, stieg er auf den Berg; er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.“ Dieses „Hinaufsteigen auf den Berg“ und das „Sich-Setzen“ (eine feierliche Geste wie die des Lehrers auf dem Lehrstuhl) verweist deutlich auf Mose auf dem Sinai. Dieser Berg ist also der neue Sinai, von dem der neue Mose das neue Gesetz verkündet. Während das mosaische Gesetz mit seinen Verboten die Grenzen setzte, um im Bund mit Gott zu bleiben, eröffnet das neue „Gesetz“ neue Horizonte. Es ist ein neuer Lebensentwurf.
Die Rede Jesu beginnt mit den acht Seligpreisungen (die neunte, an die Jünger gerichtet, ist eine Erweiterung der achten). Den zehn „Worten“ des Dekalogs entsprechen nun die acht „Worte“ der Seligpreisungen. Sie sind die neuen Wege des Reiches und die acht Tore des Paradieses!
Was die Seligpreisungen NICHT SIND
Die Seligpreisungen sind kein Lob der Armut, des Leidens, der Geduld oder der Passivität… Ganz im Gegenteil: Sie sind eine revolutionäre Botschaft! Deshalb rufen sie den heftigen Widerstand jener hervor, die sich in ihrer Macht, ihrem Reichtum oder ihrem gesellschaftlichen Ansehen bedroht fühlen.
Die Seligpreisungen sind kein „Opium für die Armen, Leidenden, Unterdrückten oder Schwachen“… denn sie würden das Bewusstsein für die Ungerechtigkeit, deren Opfer sie sind, einschläfern und zur Resignation führen. Auch wenn sie in der Vergangenheit oft so verstanden wurden. Im Gegenteil: Sie sind eine Art „Adrenalin“, das den Christen antreibt, sich für die Beseitigung der Ursachen und Wurzeln der Ungerechtigkeit einzusetzen!
Die Seligpreisungen sind keine Verschiebung des Glücks – das im Herzen jedes Menschen liegt – auf das zukünftige Leben im Jenseits. Sie sind eine Quelle des Glücks schon in diesem Leben. Die erste und die achte, die die anderen sechs einrahmen, verwenden das Verb im Präsens: „denn ihrer ist das Himmelreich“. Die anderen sechs stehen im Futur, doch diese Verheißung macht die Freude schon heute gegenwärtig, auch wenn sie noch auf ihre Vollendung wartet. Sie ist die Gewissheit, dass das Böse und die Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort haben. Die Welt gehört nicht – und wird niemals gehören – den Reichen und Mächtigen!
Die Seligpreisungen sind nicht (nur) persönlich. Die christliche Gemeinschaft, die Kirche, soll arm, barmherzig, mitfühlend, hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit sein… um Zeugnis vom Evangelium abzulegen.
Was die Seligpreisungen SIND
Die Seligpreisungen SIND ein Ruf, eine Verkündigung des Glücks, eine Frohe Botschaft für alle. Das griechische Wort makarios kann übersetzt werden mit: glücklich, selig, gratuliere!, wohl dir!… Die Seligpreisungen gelten in allen Lebenssituationen und auf allen Ebenen. Doch wir müssen uns bewusst sein, dass diese Botschaft, die wir bekennen und verkünden, in völligem Widerspruch zur herrschenden Denkweise unserer Welt steht. Deshalb dürfen wir uns nicht wundern, wenn viele sich abwenden.
Die Seligpreisungen SIND… eine einzige. Die acht sind Variationen einer einzigen Wirklichkeit, und jede erhellt die anderen. Meistens wird die erste als grundlegend betrachtet: „Selig, die arm sind im Geiste; denn ihrer ist das Himmelreich.“ Alle anderen sind, in gewisser Weise, verschiedene Formen der Armut. Immer wenn in der Bibel der Bund erneuert wird, beginnt man damit, das Recht der Armen und Ausgeschlossenen wiederherzustellen. Ohne das wird der Bund nicht erneuert! Man könnte fragen, warum es keine Seligpreisung über die Liebe gibt. In Wirklichkeit sind alle Seligpreisungen konkrete Ausdrucksformen der Liebe!
Die Seligpreisungen SIND der Spiegel, das Selbstbildnis Christi. Um sie zu verstehen und ihre Nuancen zu erfassen, müssen wir auf Jesus schauen und sehen, wie jede einzelne in seiner Person Wirklichkeit wurde.
Die Seligpreisungen SIND der Schlüssel zum Eintritt in das Reich Gottes – für alle: Christen und Nichtchristen, Gläubige und Ungläubige. In diesem Sinne sind die Seligpreisungen nicht „christlich“ im exklusiven Sinn. Sie zeigen, wer tatsächlich in das Reich eintreten kann. Alle sind zu den Seligpreisungen berufen! Das ist auch die Botschaft von Matthäus 25 über das Jüngste Gericht.
Schlussfolgerung
Die Seligpreisungen sind nicht der Ausdruck eines Traumes von einer idealisierten, unerreichbaren Welt – keine Utopie für Träumer. Für den Christen sind sie das Lebensprinzip: Entweder wir nehmen sie an, oder wir werden nicht in das Reich eingehen!
Die Seligpreisungen entsprechen acht Gruppen von Menschen und ebenso vielen Toren zum Reich. Es gibt keine anderen Eingänge! Um ins Paradies zu gelangen, muss man sich mit mindestens einer dieser acht Haltungen identifizieren und einen Aspekt des Lebens Christi verkörpern.
Welche ist meine Seligpreisung, zu der ich mich besonders hingezogen fühle? Diejenige, die ich als meine Berufung empfinde – durch Natur und durch Gnade?
P. Manuel João Pereira Correia, mccj