P. Gianni Nobili stammte aus Sondrio und wurde am 4. Juni 1940 geboren. Er verschied unerwartet in Kampala am 12. April 2016 und wurde auf dem Noviziatsgelände von Namugongo in der Nähe der Märtyrern von Uganda beigesetzt.
Die nun folgenden Worte stammen von P. Alex Zanotelli. Der volle Nachruf wird im Bulletin veröffentlicht werden.
“Mein Bruder, Mitarbeiter und Mitstreiter” schrieb Paulus von Tarsus an einen Mitarbeiter. Das ist P. Gianni Nobili für mich gewesen: Ein wahrer Bruder und außergewöhnlicher Mitarbeiter in der Mission, voll Eifer und Wagemut. Er hat eine außerordentliche menschliche Wärme ausgestrahlt, die Frucht seines tiefen Glaubens an Jesus Christus war. Er hat neue Wege in der Mission eingeschlagen. Um nur ein herrliches Beispiel anzuführen: 1991 hatte er den Mut, seine Missionsarbeit im Kongo zu unterbrechen, um sich mir in der Hölle von Korogocho anzuschließen. Am 14. Januar 1990 hatte ich in Korogocho eine Hütte bezogen, um an der eigenen Haut zu spüren, was es heißt “in der Hölle” zu wohnen. Ein volles Jahr habe ich allein gelebt, denn kein Comboni-Missionar war bereit, dieses Leben mit mir zu teilen, das viele als Wahnsinn bezeichneten. Es war Gianni, der mit Erlaubnis der Vorgesetzten bereit war, nach Korogocho zu kommen. Auch für ihn war es eine sehr schwierige Taufe: die Taufe der Armen. „Wenn der Dreck nicht auf dich fällt, du ihn nicht unter deinen Füssen spürst, dich nicht umgibt, nicht Leib und Seele einhüllt (ich spreche vom materiellen und moralischen Dreck), lernst du auch nicht, das Geschenk der Erlösung und der Freiheit zu schätzen“ – schrieb P. Gianni in einem seiner Briefe aus Korogocho. „Ich spreche hier nicht von der Berufung und vom Priestertum, sondern denke vor allem an die Vielzahl von Privilegien wie Erziehung, Freiheit und Kultur, die uns in unserem Leben in den Schoß gefallen sind. Diese verpflichten uns in viel umfangreicherem Maß das, was wir sind, mit den anderen zu teilen. Halbheiten sind ein Hohn“.
Er hat mit Menschlichkeit, Solidarität und großer Freundschaft seine Arbeit begonnen. Ich könnte unser Leben in Korogocho mit zwei herzlichen Umarmungen zusammenfassen, die ich nie vergessen werde. Die erste war am 15. Dezember 1991 nach meiner Rückkehr vom Generalkapitel. Ich traf während der Feier der hl. Messe ein und legte ihm einen weihnachtlichen Mistelzweig aus seinen Bergen in die Hände. Er umarmte mich mit so viel Herzlichkeit, dass die ganze Christengemeinde zu singen begann und ihre Freude kundzutun. Ab jenem Tag haben wir fast zwei Jahre lang zusammengearbeitet (für Gianni war es nicht leicht, denn seine Gesundheit war nicht die beste).
Gianni war unentbehrlich beim Aufbau von kleinen Kooperativen für die Ärmsten von Korogocho, besonders für die Müllsammler von Mukuru, nahe Korogocho. Er setzte sich dafür ein, dass 1993 der großartige Laienmissionar Gino Filippini, mit dem er im Kongo zusammengearbeitet hatte, nach Korogocho kam. (Gino Filippini und Annalena Tonelli sind für mich die größten italienischen Laienmissionar der Nachkriegszeit. Gino starb an Mesothelion, mit dem er sich bei der Müllsammlung angesteckt hatte!). Gianni hat immer die Laien in der Mission unterstützt und ihre Mitarbeit gefördert.
Gianni ist für mich vor allem ein Reisegefährte gewesen, der mir in den schwierigen Augenblicken Mut gemacht hat. Ich denke an unsere einfachen Mahlzeiten inmitten der Nacht, an unsere langen Gespräche und an jene unvergesslichen, einzigartigen nächtlichen Gebetszeiten.
Gianni hatte den Mut, auch riskante Entscheidungen zu treffen. Ich denke an den Entschluss, die Hütte zu verlassen, die wir auf dem provisorischen Schulgelände bewohnten – ein relativ ruhiger Ort – um im Herzen des Elendsviertels zu wohnen, das die Leute als einen sehr gefährlichen Ort betrachteten. Gemeinsam entschieden wir uns für eine Hütte in Grogon, obwohl die christliche Gemeinde nicht einverstanden war, da sie um unser Leben fürchtete. Und siehe da, eines Nachts - ich bringe das zum ersten Mal zu Papier – durchbrach eine Bande von sechs bis sieben Verbrechern mit einem Baumstamm die Tür unserer Hütte, liefen bewaffnet mit Pistolen und Messern auf Giannis Bett zu und forderten Geld. Sie Hatten jedoch nicht bemerkt, dass auch ich mich in der Hütte befand. Mit klopfendem Herzen und ohne zu wissen, was ich tun sollte, erhob ich mich, nahm die Laterne zur Hand und schlug mit Wucht gegen das Bett und begann zu schreien: ‘Mwizi! Mwizi!’ (Einbrecher, Einbrecher!). Die Räuber verließen eiligst die Hütte. Wir versuchten nun sofort, die Tür zu blockieren. Nachdem die Einbrecher bemerkten hatten, dass sie getäuscht worden waren, kehrten sie zurück und versuchten wieder, die Tür einzuschlagen und wir versuchten, sie zu verrammeln so gut wir konnten. Mit Pfiffen versuchte ich, die Leute auf uns aufmerksam zu machen. Jene halbe Stunde war die schlimmste meines Lebens. Als sich Leute unserer Hütte näherten, liefen die Räuber davon. Gianni umarmte mich wieder und dankte mir, dass ich ihm das Leben gerettet hatte. Weinend bat ich am Telefon seine Schwester Mariolina, ihm diesen „abbraccio“ zu geben, bevor er in Namugongo in den Sarg gelegt würde.
Danke, Gianni, mein Mitarbeiter und Mitstreiter. Du bist mir ein Bruder gewesen und hast Dein Leben für die afrikanischen Völker aufs Spiel gesetzt. Möge Dein Leben jene Erde ‘erneuern’, die Dich jetzt in ihren Schoß aufnimmt“.