Es ist äußerst interessant, im Wald hohe Bäume zu betrachten, die emporwachsen und ihren Schatten in Richtung Himmel projizieren. Sie ermutigen uns und laden uns ein, nach vorne zu streben. Der Sturz eines solchen Riesen verursacht viel Lärm und hinterlässt eine große Öffnung am Horizont. Genau das ist mir passiert, als ich im vergangenen Januar P. Giacomo Piccinelli im Rollstuhl antraf. Er schien körperlich müde zu sein, zeigte sich aber wie immer froh und lächelnd.
P. Giacomo wurde am 9. Juni 1928 in Brinzio, Lombardei (Italien), geboren. Er wuchs unter rührigen und arbeitsamen Menschen auf, in einer gesegneten Gegend, die gut mit Wasser aus dem Comer See und den schneebedeckten Gipfeln der Alpen versorgt wird. Seine Eltern wünschten, dass ihr Sohn den Lehrerberuf ergreife, aber Gott hatte andere Pläne mit ihm. Der aufgeweckte Giacomo fühlte sich in der Umgebung des Sees und in einem Klassenzimmer zu sehr eingeengt. Da er den Ruf Gottes verspürte, klopfte er an die Pforte der Comboni-Missionare, die ihn gleich aufnahmen. Am 31. Mai 1958 wurde er zum Priester geweiht. Bereits 1961 durfte er in die Mission ausreisen, und zwar nach Baja California in Mexiko.
Ich begegnete ihm einige Jahre später, um ihn zu fragen, ob er bereit wäre, die Gemeinschaft zu wechseln. Er wurde gebeten, die Mission zu verlassen und sich in die Hauptstadt zu begeben. Dort sollte er sich einer Legio-Mariä-Gruppe annehmen, die für ihre menschliche und christliche Bildung einen Priester brauchte. P. Giacomo musste also die Mission verlassen, für die er sich mit Leib und Seele eingesetzt hatte. Es war für ihn ein schweres Opfer, aber er nahm den Wechsel an und arbeitete mehrere Jahre mit diesen ausgegrenzten Jugendlichen. Mit seiner Charakterstärke und seinem großen Gottvertrauen gelang es ihm, von den Jugendlichen angenommen zu werden und sich Gehör zu verschaffen. Wie ein guter Vater lehrte er sie, ehrlich und arbeitsam zu sein und mit ihrer Hände Arbeit und respektvollem Benehmen das tägliche Brot zu verdienen. Die Jugendlichen ließen sich von ihm überzeugen, besonders als sie sahen, dass er als Erster die Ärmel hochkrempelte. Sie weinten, als der Provinzial P. Giacomo bat, eine andere Mission zu übernehmen, die die Comboni-Missionare unter den Ureinwohnern von Tuxtepec in der Diözese Oaxaca eröffnet hatten.
In den siebziger Jahren hatte die Generalleitung auf Drängen von einigen Mitbrüdern die Erlaubnis gegeben, unter den Ureinwohnern von Chinantla eine Mission zu übernehmen. P. Giacomo bat, in die Liste jener Glücklichen aufgenommen zu werden, die sich um die christlichen Gemeinden jener Region annehmen werden. Ihm wurde Ojitlán zugeteilt. Bald wurde er sich der trostlosen Situation der Bevölkerung bewusst, insbesondere in religiöser Hinsicht. Während eines Patronatsfestes konnte er mit seinen eigenen Augen beobachten, dass bei den Festen Christus und das Wort Gottes keinen Platz hatten. Zudem war die Pfarrei Ojitlán eine Domäne der Lefebvristen geworden. P. Giacomo sah bald ein, dass drastisches Eingreifen nutzlos sein würde. Also begann er mit der Verkündigung des Evangeliums, organisierte Bibelkurse in allen Dorfkapellen und bestimmte, dass jeder religiösen Feier das Wort Gottes vorausgehen müsse. Die Arbeit war schwierig, aber in einigen Dörfern erzielte er gute Erfolge. Um die Gegensätze zwischen den einzelnen Gruppen nicht weiter anzuheizen und nach verschiedenen unangenehmen Ereignissen bat die Provinzleitung P. Giacomo, dieses schwierige Gebiet zu verlassen und nach Costa Rica zu ziehen, um im Vikariat Puerto Limón die Laiengruppen zu betreuen. Er begann, kleine christliche Gemeinden aufzubauen, ihnen das Wort Gottes zu verkünden, mit ihnen Eucharistie zu feiern und das Interesse für die Mission zu wecken. Es entstanden katechetische Zentren für Begegnungen und Besinnungstage. Dabei konnte P. Giacomo sein „Charisma“ als Baumeister und Planer betätigen und den Laienmitarbeitern seine Brüderlichkeit und Freundschaft zeigen. Viele Leute näherten sich dadurch Gott und der Kirche. Seine Persönlichkeit war sehr vielseitig: Er war nicht nur Baumeister und Missionar, sondern auch ein großer Verehrer und Schüler des heiligen Benedikt, des „ora et labora“. „Wenn du nicht bereit bist zu arbeiten, nicht einmal zur Handarbeit, dann sollst du auch nicht essen.“ Er sprach diese Worte nicht direkt aus, aber man konnte sie an seinem Gesicht ablesen. Er betätigte sich auch als Schmied, Schreiner, Koch, züchtete Hühner und Kaninchen…
Er war mit diesem Arbeitsprogramm in El Salvador voll und ganz beschäftigt, als ihn die Oberen nach Cuscatacingo versetzten, wo ihm eine Pfarrei am Stadtrand anvertraut wurde, die noch unter den Folgen des erst vor kurzem beendeten Bürgerkriegs unter schlimmen Banden zu leiden hatten. Innerhalb von nur wenigen Jahren entwickelte sich die Pfarrei so positiv, so dass sie der Diözese übergeben wurde und die Comboni-Missionare am Stadtrand eine neu gründen konnten.
Giacomo verbrachte seine letzten Lebensjahre außerhalb der Hauptstadt San Salvador in einem Dorf, nicht weit vom Flughafen entfernt. Sein Schutzengel holte ihn im Rollstuhl ab und führte ihn zum Gott des Lebens. Es war der 11. Juli 2020.
(P. Gianmaria Piu, mccj).