Wir nähern uns den Festen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Das Evangelium dieses Sonntags, wie auch das des letzten, bietet uns einen Auszug aus der langen Abschiedsrede Jesu beim Letzten Abendmahl. Mit der Ankündigung seines Weggangs erfüllt sich die Atmosphäre mit Traurigkeit. Niedergeschlagenheit, Bestürzung und Angst breiten sich unter den Jüngern aus. Jesus beruhigt sie, ermutigt sie, sich nicht zu fürchten (vgl. Joh 14,1.27), und verspricht, dass ihre Trauer in Freude verwandelt wird (Joh 16,20.22). [...]
Der Gläubige: Ausstrahlung der Schechina Gottes
„Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“
Johannes 14,23–29
Wir nähern uns den Festen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Das Evangelium dieses Sonntags, wie auch das des letzten, bietet uns einen Auszug aus der langen Abschiedsrede Jesu beim Letzten Abendmahl. Mit der Ankündigung seines Weggangs erfüllt sich die Atmosphäre mit Traurigkeit. Niedergeschlagenheit, Bestürzung und Angst breiten sich unter den Jüngern aus. Jesus beruhigt sie, ermutigt sie, sich nicht zu fürchten (vgl. Joh 14,1.27), und verspricht, dass ihre Trauer in Freude verwandelt wird (Joh 16,20.22).
Die Gabe des Friedens und der Beistand
Jesus bemüht sich, den Zusammenhalt der Jüngergruppe zu sichern. Am letzten Sonntag hat der Herr ihnen – und uns – das Gebot der Liebe gegeben. Heute schenkt er den Frieden: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“
Beachte: Jesus wünscht nicht nur Frieden, er schenkt ihn! Den Frieden, den er selbst gelebt hat, gibt er uns weiter. Ein Frieden, der so tief und stark ist, dass ihn selbst Verfolgung nicht zerstören kann.
Zudem verspricht Jesus ein weiteres Geschenk: den Heiligen Geist.
„Der Beistand, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“
Immer wieder wiederholt Jesus in seiner Abschiedsrede dieses Versprechen der Sendung des Geistes (vgl. Joh 14,16–17; 14,26; 15,26; 16,7–11; 16,13–15) und fügt jedes Mal neue Einzelheiten zu dessen Auftrag hinzu, der darin besteht, das Werk Jesu fortzuführen.
Der Heilige Geist macht den Frieden der Christen standhaft und dauerhaft, denn er ist unser Beistand – Parakletos im Griechischen –, also der „Anwalt“, der uns zur Seite steht als Verteidiger und Tröster. Dass diese kleine, einfache und ungebildete Gruppe von Aposteln es geschafft hat, die Welt zu verändern, lässt sich nur durch das Wirken einer göttlichen Kraft erklären: des Heiligen Geistes!
Die Angst vor dem Fortgehen
Im Mittelpunkt der Abschiedsrede Jesu steht die Ankündigung seines nahenden Weggangs, der die Jünger tief erschüttert. Vier Apostel stellen ihm vier Fragen. Die Zahl vier steht symbolisch für Ganzheit und Universalität (wie die vier Himmelsrichtungen). Diese vier – Petrus, Thomas, Philippus und Judas – stehen für uns alle. Die Fragen, die sie Jesus stellen, sind auch unsere, damals wie heute.
Wir befinden uns in einer kritischen Phase eines „epochalen Wandels“, dessen Konturen noch unklar sind – eine neuartige Herausforderung: für einige inspirierend, für andere beunruhigend. In unserer westlichen Kultur erleben viele Gläubige diese Krise als „kirchlichen Winter“ und „dunkle Nacht“ des Glaubens. Die Atmosphäre jener Nacht im Abendmahlssaal kann symbolisch unsere heutige Zeit des scheinbaren „Gottesfinsternis“ beleuchten.
1. Petrus: Großzügigkeit und Schwäche. Die erste Frage stellt Petrus. Bei der Ankündigung des Fortgehens fragt Simon Petrus: „Herr, wohin gehst du?“ Jesus antwortet: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du jetzt nicht mitkommen; du wirst mir aber später folgen.“ Petrus widerspricht: „Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben!“
Petrus ist das Bild des entschlossenen und großzügigen Jüngers, der seinen Herrn liebt, aber seine eigene Schwäche nicht erkennt (vgl. Joh 13,36–38). Wie oft haben auch wir solche Versprechen gemacht – und uns dann im entscheidenden Moment als feige erwiesen. Der Herr aber nimmt uns unsere Schwäche nicht übel. Er hat Geduld: „Du wirst mir später folgen!“
2. Thomas: Wille und Unsicherheit. Jesus erklärt, wohin er geht: „Ich gehe, um euch eine Wohnung vorzubereiten.“ Und weiter: „Ihr kennt den Weg, wohin ich gehe.“
Thomas, der praktische, bodenständige und willensstarke Jünger, meldet sich zu Wort: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“
Auch wir wünschen uns oft mehr Klarheit und Eindeutigkeit von Gott. Angesichts vieler verlockender Wege sind wir oft orientierungslos.
Jesus antwortet: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,2–6). Der Vater ist das Ziel, und Jesus der Weg dorthin – durch sein Wort und sein Beispiel.
3. Philippus: Idealismus und Konkretheit. Jesus fährt fort: „Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“
Die Jünger waren wohl verwundert über diese Aussage – wann hätten sie den Vater gesehen? Sicher, Jesus hatte oft vom Vater gesprochen, ja sogar gesagt, er und der Vater seien eins (Joh 10,30). Aber den Vater – den hatten sie nie gesehen!
Da meldet sich Philippus: „Herr, zeige uns den Vater, das genügt uns“ (Joh 14,8–10). Philippus steht für den gutherzigen, idealistischen und einfachen Jünger. Auch wir möchten manchmal „sehen“ – ohne Vermittlung. Doch Jesus bleibt dabei: Der Zugang führt über ihn. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“; „Glaubt mir: Ich bin im Vater und der Vater ist in mir.“
4. Judas: Pragmatismus und Ungeduld. Der vierte Fragesteller ist Judas – nicht der Iskariot, sondern vermutlich Judas Thaddäus oder ein Verwandter Jesu. Als Jesus ankündigt, sich den Jüngern offenbaren zu wollen, fragt er erstaunt: „Herr, wie kommt es, dass du dich nur uns offenbaren willst und nicht der Welt?“
Judas steht für den pragmatischen und ungeduldigen Jünger. Seine Frage erscheint völlig logisch. Die Jünger glaubten ja bereits an ihn – warum sollte er sich nicht durch Zeichen und Wunder denen zeigen, die noch nicht glaubten?
Auch seine Verwandten hatten ihm das schon gesagt: „Wenn du solche Dinge tust, dann zeig dich der Welt“ (Joh 7,3–5). Dasselbe würden viele von uns heute sagen. Mit Sorge sehen wir, wie die Zahl der Gläubigen schwindet, die oft verspottet oder behindert werden. Die evangelischen Werte verlieren an Einfluss. Krieg und Ungerechtigkeit breiten sich aus... und Gott schweigt!
Das heutige Evangelium enthält Jesu Antwort.
Die Überraschung einer neuen Gegenwart
Es beginnt mit einer außergewöhnlichen Offenbarung: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten, mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“
Der, den die Himmel nicht fassen konnten; der früher seine Freunde Abraham, Jakob, Mose besuchte; der im Bundeszelt gegenwärtig war; der im Tempel seine Wohnung – die Schechina – nahm; der in den letzten Zeiten „Immanuel“, Gott-mit-uns, wurde...
...der geht nun noch einen Schritt weiter und macht seine Schechina im Herzen des Gläubigen.
Es ist etwas Unerhörtes – eine geheimnisvolle, intime und tiefgehende Realität, die wir vielleicht noch gar nicht wirklich verinnerlicht haben. Paulus bringt es gut auf den Punkt: Wir sind Tempel Gottes (vgl. 1 Kor 3,17 und 6,19; auch 2 Kor 6,16; Eph 3,17; Röm 8,11).
Vielleicht erscheint uns das zu groß, um es zu glauben. Oder fürchten wir, man könnte uns Pietismus oder Spiritualismus vorwerfen? Und doch gibt es kein schöneres – und zugleich revolutionäreres – „Evangelium“: Das Herz des Gläubigen – bewegt von Liebe und tatkräftigem Glauben – wird zu einem Netzwerk (Web) von Beziehungen und Interaktionen zwischen Mensch und Gott.
Aber denken wir nicht, dass Gott eine Fünf-Sterne-Unterkunft erwartet! Es genügt ihm ein einfaches, offenes Herz: ein Tisch, ein Tischtuch und eine frische Blume; etwas Brot und ein Krug frisches Wasser (oder noch besser: eine Flasche Wein!) auf dem Tisch; ein paar Stühle darum; und die Tür nur angelehnt – als Einladung für den Wanderer.
Jedem von uns obliegt die Kreativität, all dies in konkrete Gesten und einen Lebensstil umzusetzen. Dann werden wir zur Ausstrahlung der Schechina, zur Wohnstätte Gottes, zu Zeugen der Auferstehung!
P. Manuel João Pereira Correia, mccj